Verdeckte Gefahr
Versteckte Armut in Österreich
Wer in einem Haushalt mit einem Gesamteinkommen über der Armutsgefährdungsschwelle lebt, gilt offiziell als „finanziell abgesichert“. Doch was, wenn dieses Einkommen nicht allen im Haushalt wirklich gehört?
Genau das untersucht die Studie „Versteckte Armut? Das Armutsrisiko von nicht-alleinlebenden Frauen in Österreich“, durchgeführt von Katrin Gasior (saspri) im Auftrag der Caritas-Österreich, 2025). Das Ergebnis ist eindeutig: Das Armutsrisiko von Frauen wird massiv unterschätzt, vor allem, wenn sie nicht allein leben. Hinter der Fassade gemeinsamer Haushalte steckt oft finanzielle Abhängigkeit, fehlende Entscheidungsfreiheit und ein hohes Risiko, bei Krisen wie Trennung, Jobverlust oder Krankheit unter die Armutsgrenze zu rutschen.
Wer sich scheinbar Sicherheit teilt, teilt oft auch Abhängigkeit.
In Österreich leben laut Statistik Austria (2024) rund 4,2 Millionen Frauen ab 18 Jahren.
Etwa 70 % davon wohnen nicht allein, sondern mit Partnern, Familie oder anderen Erwachsenen zusammen – das sind rund 2,9 Millionen Frauen.
Laut der Caritas-Studie sind 32 % dieser Frauen armutsgefährdet – bei Männern in denselben Haushalten nur 11 %.
Das ergibt rund 930 000 Frauen, die statistisch als „nicht arm“ gelten, aber tatsächlich in verdeckter Armut leben oder finanziell abhängig sind.
Das heißt: Rund 930 000 Frauen gelten offiziell als „nicht arm“ – doch in Wahrheit leben sie in verdeckter Armut oder sind ökonomisch abhängig.
Die Zahlen sprechen für sich:
- Fast jede dritte Frau (32%) in einem Mehrpersonenhaushalt ist armutsgefährdet – bei Männern ist es nur etwa jeder Zehnte (11%).
- In Familien mit drei oder mehr Kindern steigt das Risiko für Frauen dramatisch auf 65 %, für Männer auf 12 %.
- Das österreichische Sozialsystem federt Armut zwar ab – aber nicht gerecht: Es orientiert sich an Haushaltseinkommen und Erwerbsarbeit und übersieht, dass viele Frauen keinen eigenen finanziellen Rückhalt haben.
Warum Frauen stärker betroffen sind
Viele Frauen haben kein oder nur geringes eigenes Einkommen. Sie übernehmen den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit – Haushalt, Kinder, Pflege. Teilzeit ist oft die einzige Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren, weil es noch immer zu wenig leistbare, ganztägige Kinderbetreuung gibt. Das Ergebnis: weniger Lohn, weniger Pension, mehr Abhängigkeit.
In Krisensituationen wie Trennung, Krankheit oder Jobverlust kann das zur Armutsfalle werden – von einem Tag auf den anderen.
Was das für Frauen bedeutet
Die ökonomische Schieflage zwischen Frauen und Männern prägt Machtverhältnisse:
Wer das Geld verdient, bestimmt oft auch, wer Entscheidungen trifft. Finanzielle Abhängigkeit kann verhindern, dass Frauen Beziehungen verlassen, in denen sie sich unwohl oder sogar unsicher fühlen. Armut ist deshalb nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein strukturelles und gesellschaftliches Problem.
Wir fordern: Gleiche Chancen. Gleiche Absicherung. Gleiche Macht.
Damit Frauen nicht länger in „versteckter Armut“ leben, braucht es:
- faire Bezahlung und gleichwertige Arbeit,
- verlässliche Kinder- und Pflegebetreuung,
- gerechte Aufteilung von Sorgearbeit,
- und ein Sozialsystem, das individuelle Lebenslagen berücksichtigt.

