
Mehr Männer in der Care-Arbeit beleben die Wirtschaft
Caring Masculinities – ein Thema von hoher volkswirtschaftlicher Relevanz
Das Konzept der Caring Masculinities beschreibt alternative Männlichkeitsmodelle, in denen Männer Verantwortung für Fürsorgearbeit übernehmen, partnerschaftlich und gleichberechtigt leben und ihre emotionalen Kompetenzen stärken. Diese Entwicklung steht in direktem Gegensatz zu traditionellen Rollenbildern, die Männer vor allem Leistungs- und finanzielle Versorgungsrollen zuschreiben. Die ungerechte Verteilung von Care-Arbeit und von Erwerbstätigkeit ergeben massive wirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen. Ungleichheiten in der Aufteilung führen zu Belastungen, die nicht nur Individuen, sondern ganze Gesellschaften und Volkswirtschaften teuer zu stehen kommen.
„Jene Betriebe, die aktiv geteilte Karenzmodelle für Väter und Mütter ausbauen und Teilzeit für alle anbieten, werden die Unternehmen der Zukunft sein. Fürsorgliche Männlichkeit ist ein großer Hebel für unternehmerischen Erfolg. Das alte Narrativ des hauptverdienenden Vaters hinter sich zu lassen ist ein Risiko. Dieses nicht einzugehen, eine weitgrößere Gefahr. Echte Geschlechtergerechtigkeit geht über das Erwerbsleben hinaus und umfasst vor allem die geteilte Care-Arbeit zu Hause. Sobald Unternehmen dies für sich erkannt haben und nutzen, zeigt sich das enorme Potential. Elisabeth Sechser, Unternehmensberaterin und Initiatorin von CaringEconomy.Jetzt
Der wirtschaftliche Effekt: Gleichstellung ergibt ein wirtschaftliches Potenzial von rund 56,8 Milliarden
Laut der OECD-Studie The Pursuit of Gender Equality: An Uphill Battle (OECD, 2017) kann eine vollständige Gleichstellung der Geschlechter – also inklusive gleichberechtigter Beteiligung am Arbeitsmarkt, Lohnparität und fairer Verteilung unbezahlter Care-Arbeit – das Bruttoinlandsprodukt (BIP) langfristig um bis zu 12 % steigern.
Das entspricht rund 56,8 Milliarden Euro jährlich, die Österreichs Wirtschaft durch faire Care-Aufteilung und gleichberechtigte Erwerbsbeteiligung zusätzlich generieren könnte.
Laut Statistik Austria lag Österreichs BIP 2023 bei 473,2 Milliarden Euro – wendet man die OECD-Modellannahme eines möglichen 12 %igen Zuwachses durch vollständige Gleichstellung darauf an, ergibt sich ein wirtschaftliches Potenzial von rund 56,8 Milliarden Euro jährlich.
Diese Zahl ist eine Modellrechnung der OECD (2017) und bezieht sich auf langfristige Effekte vollständiger Gleichstellung – inklusive Arbeitsmarktteilhabe, Lohnparität und Care-Verteilung. Die 12 % sind ein mögliches Wachstumspotenzial.
Wirtschaftsbooster: „Mehr Männer in Sorgearbeit“
1. Ungleiche Care-Verteilung – eine Belastung für Frauen und die Wirtschaft
- Durch eine gerechtere Verteilung unbezahlter Sorgearbeit könnten Frauen ihre Erwerbsarbeitszeit um bis zu 20 % erhöhen – ein erhebliches Arbeitskräftepotenzial, das nicht zwangsläufig durch einen gleich hohen Rückzug von Männern kompensiert werden müsste, da flexible Arbeitsmodelle, partnerschaftliche Aufteilung und staatliche Unterstützungsmaßnahmen eine ausgewogene Balance ermöglichen (OECD, The Pursuit of Gender Equality: An Uphill Battle, 2017).
2. Gewaltprävention durch Gleichstellung – Einsparpotenzial in Milliardenhöhe
- Gewalt gegen Frauen verursacht in der EU Kosten von ca. 289 Milliarden Euro jährlich (EIGE, 2021) verteilt auf Gesundheitsversorgung, Justiz, Polizeieinsätze, soziale Dienstleistungen und Produktivitätsverluste.
- Die österreichische GEQ-AT-Studie (2024) zeigt, dass Partnerschaften mit einer gleichberechtigten Verteilung der Care- und Erwerbsarbeit das Risiko von Gewalt erheblich reduzieren.
- Präventive Maßnahmen zur Förderung von Caring Masculinities können somit nicht nur Leid mindern, sondern auch zu einer erheblichen Kostenreduktion im öffentlichen Haushalt führen.
3. Psychische Gesundheit und soziales Wohlbefinden
- Männer leiden häufig unter starren Rollenbildern, die emotionale Offenheit und die Suche nach Hilfe erschweren. Männer, die Fürsorgearbeit übernehmen, sind emotional eingebundener, zeigen ein gesünderes Rollenverständnis und haben ein geringeres Risiko für psychische Erkrankungen oder Suchtverhalten. („The Role of Men in Gender Equality – European strategies & insights“ von Scambor et al. (2013))
- Studien der WHO (2021) zeigen, dass Männer mit einer höheren emotionalen Kompetenz und Care-Beteiligung seltener an Depressionen, Suchtproblemen und Suizid sterben.
- Programme, die Caring Masculinities fördern, wirken auch als wirksame Gesundheitsprävention.
4. Positive Effekte auf die nächste Generation
- Väter, die aktiv und liebevoll an der Betreuung ihrer Kinder beteiligt sind, fördern deren kognitive, emotionale und soziale Entwicklung (UNICEF, 2022).
- Dies wirkt langfristig den Kosten für Frühförderung, Sonderpädagogik und Sozialhilfe entgegen.
- Kinder aus Familien mit engagierten Vätern haben bessere Bildungs- und Gesundheitschancen – eine Investition in die Zukunft.
„Geschlechterkampf? Was für ein Unsinn! Wir haben noch nicht wirklich verstanden, dass das Geschlechterverhältnis eine win–win–Situation ist – oder eben eine lose–lose–Situation.“
– Björn Süfke, Diplom-Psychologe & Autor
Gesellschaftlicher Gewinn und politische Handlungsempfehlungen
- Geteilte Elternkarnezmodelle, Teilzeitmodelle
- Ausbau von Betreuungsangeboten und flexible Arbeitszeiten zur besseren Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit für beide Elternteile
- Sorgende Männlichkeits-Narrative in Politik, Medien und Bildung verankern
- Aufklärung und Sensibilisierung in Schulen und Betrieben zu geschlechtergerechten Care-Rollen
- Unterstützung von Männern bei der Entwicklung emotionaler Kompetenzen
- Gewalt als Männlichkeitsmerkmal kulturell dekonstruieren – Gewaltprävention und Empathie-Training in Bildung und Jungendarbeit integrieren, Gewaltschutz flächendeckend ausbauen und sichern
- Finanzielle Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung von Karenz- und Pflegezeiten